Veranstaltungen
Stadträt*innen setzen ein Zeichen für mehr Nachhaltigkeit

Am 21. April 2018 feierte das WeltHaus Heidelberg sein fünfjähriges Bestehen mit einem Jubiläumsfest. Über 600 Menschen kamen zum "Tag des globalen Engagements." Unter den Besucher*innen waren auch sieben Heidelberger Stadträt*innen - das WeltHaus hatte sie anlässlich der Jubiläumsfeier zu einer Wette herausgefordert.
Bereit erklärt mitzuspielen hatten sich Waseem Butt (parteilos), Kristina Essig (CDU), Dr. Jan Gradel (CDU), Andreas Grasser (SPD), Sahra Mirow (DIE LINKE), Dr. Luitgard Nipp-Stolzenburg (Bündnis 90/ Die Grünen) sowie Hilde Stolz (BL).
Wetten, dass ...
"Wir wetten, dass die Heidelberger Stadträte es nicht schaffen, in den nächsten 15 Minuten jeweils 2,5 kg nachhaltig produzierte Karotten an die Passantinnen und Passanten auf dem Bahnhofsvorplatz zu verkaufen" foderten Friederike Römer und Ariane Fröhlich, beide Mitarbeiterinnen des WeltHauses, die Politiker*innen heraus.
Hintergrund der Karotten-Wette ist die Liebe der Deutschen zu frischen Tomaten. Diese kommen zu 95% aus den Treibhäusern Europas und stoßen dabei rund 44 Mal mehr klimaschädliche Gase aus, als regional angebaute Bio-Karotten. Zum fünfjährigen Jubiläum wünschte sich das WeltHaus von den Stadträt*innen Unterstützung: Durch den Verkauf der Möhren sollten die Politiker*innen nachhaltiges Alltagshandeln im wahrsten Sinne des Wortes "an den Mann" bringen.
... wir unseren ökologischen Fußabdruck reduzieren müssen?
Sollte das WeltHaus recht behalten, verpflichteten sich die Stadträt*innen dazu, ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren: durch den Besuch eines lokalen Nachhaltigkeitsprojekts sollen die Politiker*innen ihren eigenen Ressourcenverbrauch reduzieren und nachhaltige Lebensstile bekannter machen.
Das WeltHaus sagte im Gegenzug zu, den Stadtrat in einer Sitzung mit nachhaltigen Häppchen rund um die regionale Rübe zu verköstigen.
Es war spannend bis zur letzten Minute - aber am Ende hatten die Stadträt*innen mit vereinten Kräften alle Karotten verkauft und gewannen die Wette. Das WeltHaus sorgt nun für das leibliche Wohl im Gemeinderat. Erfreulicherweise bewiesen die Stadträt*innen Sportsgeist und sagten zu, ihre Wetteinsätze trotzdem einzulösen. Über die Einlösung werden wir hier in den kommenden Monaten berichten.
Einlösung der Wetteinsätze
Dr. Luitgard Nipp-Stolzenburg und Andreas Grasser: Lebensmittel retten mit Foodsharing

Fotos: Fröhlich / Eine-Welt-Zentrum Heidelberg
Luitgard Nipp-Stolzenburg stellt gerade ihr Fahrrad ab, da biegt Andreas Grasser um die Ecke. Die beiden Stadträt*innen sind verabredet, um ihre Wettschuld einzulösen: sie beteiligen sich an einer Lebensmittelrettung von Foodsharing. Die Initiative hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Wegwerfen von genießbaren Lebensmitteln zu verhindern. Treffpunkt ist ein Hinterhof irgendwo im Ortsteil Südstadt. Hier steht ein sogenannter Foodsharing-Fairteiler, an dem Menschen gerettete Lebensmittel abholen können.
Es sind eigentlich nur drei Regale und eine Hinweisschild. Über diese Infrastruktur werden fast täglich ein bis zwei Zentner genießbare Lebensmittel verteilt, die sonst in Mülltonnen oder Biogasanlagen landen würden.
„Woher kommen die ganzen Lebensmittel?“ fragen die Stadträt*innen Christian Haas, den Botschafter der Foodsharing-Bewegung in Heidelberg. Haas erklärt, dass sich zahlreiche Supermärkte und Einzelhändler bereit erklärt haben, mit Foodsharing zu kooperieren. Zu fest vereinbarten Zeiten holen die Lebensmittelretter*innen die dort aussortierte Ware ab. Zuverlässigkeit sei dabei äußerst wichtig, betont Haas: „Wenn wir die Waren nicht abholen, müssten die Händler sich anderweitig um die Entsorgung kümmern.“
Heute gibt es vor allem Gemüse und Brot – eine eher kleinere Lieferung, wie die Lebensmittelretter*innen betonen. Trotzdem umfasst sie zwei bis unter die Decke gepackte Kofferraumladungen und die Ladefläche eines großen Lastenrads. Nipp-Stolzenburg und Grasser staunen nicht schlecht: insgesamt sechs Umzugskisten voll Blattsalat, zwei Kartons Lauch und ein Berg Zucchini. Dazu Fenchel, Champignons und verschiedene Kräuter. „Foodsharing macht es schwer, sich ungesund zu ernähren“ lacht Kerstin, eine der freiwilligen Abholer*innen. In ein zusätzliches Regal stapeln die Stadträt*innen säckeweise Brot.
Rund 25 Minuten sind die beiden mit dem Einräumen beschäftigt. Inzwischen treffen immer mehr Personen mit Körben und Beuteln ein – sie wollen die Lebensmittel abholen. Geduldig warten sie mit einigem Abstand, bis die Stadträt*innen mit der Arbeit fertig sind. „Dieser Fairteiler war einer der ersten in Heidelberg und übrigens auch in ganz Baden-Württemberg“ informiert Haas. „Wie man sieht ist er sehr gut besucht. Hierher kommen Leute, die auf die kostenlosen Lebensmittel angewiesen genauso wie Menschen, die einfach das unnötige Wegschmeißen verhindern wollen.“
Die Stadträt*innen zeigen sich beeindruckt. "Bis zur WeltHaus-Wette war mir der Unterschied zwischen "der Tafel" und "Foodsharing" nicht bekannt. Jetzt ist mir bewusst, dass Foodsharing auf eine besondere Weise Umweltschutz und sozialen Nutzen verbindet und darüber hinaus noch umweltpolitische Bildungsarbeit leistet." Frau Nipp-Stolzenburg schließt sich an: "Toll, wie ihr dafür sorgt, dass Lebensmittel nicht einfach weggeworfen werden, und wie das Zusammenspiel funktioniert“ und fügt hinzu: „Wenn ihr bei Foodsharing für eine besondere Aktion mal Hilfe braucht, könnt ihr mich gerne anrufen.“
Weitere Informationen: Foodsharing freut sich über engagierte Menschen, die Lebensmittelrettung in ihren Alltag integrieren wollen. Alle Informationen zum Mitmachen unter https://foodsharing.de/
Hilde Stolz: Anpacken bei der solidarischen Landwirtschaft

Fotos: Friederike Römer, Solawi Rhein-Neckar
An einem milden Mittwoch Morgen im Juli löst Hilde Stolz ihren Wetteinsatz ein. Dazu fährt sie auf den Markushof in Nußloch - ein Bauernhof, der Solidarische Landwirtschaft (Solawi) betreibt.
"Was bitteschön ist solidarische Landwirtschaft?" mag sich manch eine*r fragen. Konkret handelt es sich dabei um einen Zusammenschluss von Bauernhöfen oder Gärtnereien mit einer Gruppe privater Haushalte: Die Landwirt*innen und übrigen Mitglieder der Gruppe bilden eine Wirtschaftsgemeinschaft. Dahinter steht die Idee, dass die kleinbäuerliche Landwirtschaft und nicht das einzelne Lebensmittel finanziert wird.
Die Gemeinschaft stemmt gemeinsam die Kosten, die durch die landwirtschaftliche Produktion auf dem Markushofs in Nußloch/Maisbach anfallen. Im Gegenzug teilen sie sich die Ernte der Biolandwirtschaft. Durch den persönlichen Bezug zueinander erfahren sowohl die Erzeuger*innen als auch die Konsument*innen die vielfältigen Vorteile einer nicht-industriellen, marktunabhängigen Landwirtschaft. Der Bauer bzw. die Bäuerin kann durch die solidarische Unterstützung nachhaltig wirtschaften, ohne sich oder den Boden auszubeuten. Die Gemeinschaft erhält qualitativ hochwertige Nahrungsmittel aus der Region – verpackungsfrei und ohne lange Transportwege. Solidarische Landwirtschaft ist also ein Modell, das kleinbäuerliche Strukturen, die unter anderem für den Naturschutz extrem wichtig sind, längerfristig zu stärken und zu sichern.
Hilde Stolz macht bei ihrer Wetteinlösung zunächst Station auf dem Markushof in Nußloch. Hier hilft sie beim Verpacken der sogenannten Ernteanteile in die Auslieferungskisten: Diesmal gibt es Brot, Salat, Milch, Kartoffeln, Rote Bete, Lauchzwiebeln, Zucchini, Johannisbeeren und etwas Käse. Die Kisten werden an 12 Depots in Heidelberg, Eppelheim, Wiesloch, Bammental und Mannheim versandt und dort von den Mitgliedern der Solawi abgeholt.
Nach dem Verpacken geht es für Frau Stolz weiter aufs Feld. Hier setzt die Stadträtin gemeinsam mit anderen Helfer*innen Salat-Stecklinge und erweist sich als geschickt im Umgang mit der Pflanzmaschine. "Meine Großeltern hatten auch eine Landwirtschaft nebenher, aber mein Opa hat alles mit der Hand gemacht. So eine tolle Pflanzmaschine wie hier gab es nicht," erinnerte sich Stolz.
Den Wetteinsatz habe sie sich ausgesucht, da "es doch eigentlich selbstverständlich sein sollte, dass die Lebensmittel dort angebaut werden, wo sie auch verzehrt werden". Momentan versorgt Die Solawi Rhein-Neckar seine Mitglieder und ihre Familien mit 196 Ernteanteilen. Weitere Mitglieder sind herzlich willkommen!
Weiter Informationen: www.solawi-rhein-neckar.org
Sahra Mirow: Energiewende mit genossenschaftlichem Ökostrom

Fotos: HEG, EWZ
„Ich wechsle mit meinem Privathaushalt zum Ökostrom der Heidelberger Energiegenossenschaft und leiste so einen Beitrag zur Energiewende“ versprach Sahra Mirow im Rahmen der WeltHaus Jubiläumswette. „Dieser Schritt ist für mich längst überfällig. Strom aus erneuerbaren Energien ist einer der wirksamsten Hebel, wenn es um die Schonung der natürlichen Ressourcen geht.“
Am 05. Juli löste Mirow ihren Wetteinsatz im Rahmen einer Informationsveranstaltung der Heidelberger Energiegenossenschaft (HEG) ein. Die Stadträtin nutzte die Gelegenheit, um Mitglied der Genossenschaft zu werden und zum genossenschaftlichen Ökostromanbieter zu wechseln: „Es ist für mich nur konsequent, meinen Strom von der lokalen Genossenschaft zu beziehen und so die Energiewende vor Ort zu unterstützen.“
Auf der Veranstaltung informierte die HEG über ihr neuestes Projekt: Auf dem Dach des Wohnprojekts konvisionär in der Südstadt baut sie aktuell eine Photovoltaikanlage. Der produzierte Strom wird direkt innerhalb des Quartiers von den 130 Bewohner*innen der Wohnprojekte konvisionär und HageButze verbraucht. Die HEG ermöglicht damit auch Menschen ohne eigenes Dach, an der Energiewende in Bürgerhand teilzuhaben. Mit dem Konzept einer integrierten Quartiersversorgung, die neben dem direkt verbrauchten Solarstrom auch eine Ladesäule für Elektroautos und einen optimierten Stromspeicher beinhaltet, gewann die HEG im März den Ideenwettbewerb des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands.
Die Heidelberger Energiegenossenschaft setzt seit 2010 die Energiewende in Heidelberg und Umgebung um. Die Gemeinschaft aus über 350 Bürger*innen betreibt 20 Bürgersolaranlagen und ist an zwei Windrädern beteiligt. Seit 2013 liefert die Genossenschaft im Verbund der Bürgerwerke 100 Prozent Ökostrom aus Bürgerhand an Haushalte und Unternehmen. Mirow war von den Aktivitäten der HEG und der Einlösung des Wetteinsatzes begeistert. „Die Zivilgesellschaft sollte die Gemeinderäte ruhig öfter in die Pflicht nehmen. Schließlich erfüllen sie auch eine Vorbildfunktion,“ resümiert die Stadträtin.
Weiterführende Information: Zur Umsetzung innovativer Projekte nimmt die Heidelberger Energiegenossenschaft neue Mitglieder auf. Mehr unter www.heidelberger-energiegenossenschaft.de.
Waseem Butt: Kleidertausch statt Shoppingrausch

Fotos: Diane Jeeranut Pitzer
Der unabhängige Stadtrat Waseem Butt setzte am 12. Mai ein Zeichen für Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit. Zur Kleidertauschparty der BUNDjugend brachte er einige Herrenanzüge mit - im Gegenzug ertauschte er eine Jeanshose, die wie angegossen sitzt.
„Kleider, die nicht mehr getragen werden, zu tauschen ist ein wichtiger Schritt, Ressourcen zu schonen. Hier sind Frauen und Männer gleichermaßen gefragt. Bisher werden Kleidertauschpartys jedoch eher von Frauen genutzt. Ich wünsche mir, dass in Zukunft mehr Männer vom Kleidertausch Gebrauch machen,“ erklärte Butt sein Engagement.
Dass die Heidelberger*innen wie alle Deutschen viel zu viel verbrauchen markiert der Erdüberlastungstag, der dieses Jahr bereits auf den 2. Mai fiel. Er zeigt an, dass alle Ressourcen, die innerhalb eines Jahres regenerierbar sind, verbraucht wurden. Würde jeder Mensch auf der Erde so viel konsumieren, bräuchten wir die Ressourcen von drei Planeten – wir haben aber bekanntlich nur einen.
Deutschland ist im Textilkonsum mit 28 kg pro Kopf und Jahr weltspitze – mehr kaufen nur noch die US-Amerikaner. Die Produktion von Kleidung verbraucht aber große Mengen an Wasser, Energie, Bodenfläche und Chemikalien. Gleichzeitig wird laut einer Greenpeace-Studie jedes fünfte Teil kaum oder gar nicht getragen. So lagern in deutschen Schränken rund 2 Milliarden praktisch ungetragene Kleidungsstücke – eine riesige Ressourcenverschwendung.
Kleidertauschpartys bieten eine Alternative, um aus diesem Kreislauf auszusteigen: Besucher*innen tauschen Kleidung, die nicht mehr passt oder nicht mehr gefällt, aber zu schade zum Wegwerfen ist. „Wir möchten die Menschen dazu anregen, weniger zu shoppen. Neue Klamotten müssen nicht immer neu sein, anders reicht auch,“ sagt Constanze Einsiedler von der BUNDjugend, die die Kleidertauschparty im WeltHaus organisiert hat.
Die Kleidertauschpartys der BUNDjugend finden regelmäßig Im WeltHaus statt. Auch andere Gruppen haben hier bereits den kollektiven Klamottentausch organisiert. Die Termine solcher Tauschaktionen werden über die Website des WeltHauses oder in der Facebook-Gruppe Kleidertauschparty Heidelberg angekündigt. Jugendliche die Lust haben, Kleidertauschpartys und ähnliche Aktionen mit zu organisieren, können sich bei Constanze unter bund.heidelbergbund.net melden.
Presse:
Rhein-Neckar-Zeitung, 11.05.18, "Butt löst Wetteinsatz ein" (→ externer Facebook-Link)
Rhein-Neckar-Zeitung online, 11.05.18, "Wenn der Stadtrat seine Kleider tauscht"
Die Stadtredaktion, 09.05.18, "Kleidertausch statt Shoppingrausch"